Wenn es um Grafikprogramme für Linux geht, dann wird die Luft relativ schnell dünn. Die vergleichsweise kleine Auswahl heißt aber nicht, dass die Qualität dabei auf der Strecke bleibt. Trotzdem wird GIMP von vielen Grafiker:innen belächelt und mit Selbstgeißelung gleichgesetzt. Doch stimmt das überhaupt?
Inhaltsverzeichnis
GIMP vs. Photoshop
Photoshop ist der Marktstandard für Grafik. Photoshop ist das Synonym für Grafikprogramme, wie z.B. Edding für Permanentmarker, Tempo für Taschentücher oder Lego für Klemmbausteine. Adobe PS gibt es bereits seit 1990 – allein deshalb ist es ein wohlbekannter Name und ist mit der Zeit an den Anforderungen gewachsen. Der Funktionsumfang ist immens, sogar so groß, dass Viele nur an der Oberfläche kratzen.
Doch stimmt es, dass GIMP nur ein hässliches Photoshop mit weniger Funktionen ist? Zumindest höre ich das in der PS-Community immer wieder. Oder steckt mehr hinter dem freien Grafikprogramm?
Vorteile von GIMP gegenüber Photoshop
GIMP ist Open Source und steht für GNU Image Manipulation Program. Es wird unter der freien Lizenz GPL bzw. LGPL veröffentlicht und kann daher von allen Menschen eingesehen und verändert werden. Auch deswegen gibt es vermutlich ein breites Angebot an Effekt-Plugins.
Das Grafikprogramm wird parallel für Linux, macOS, Windows und sogar AmigaOS entwickelt. Die aktuelle Version ist 2.10.xx, es wird aber bereits an Version 3 gearbeitet, die auf einen aktuelleren Unterbau setzt.
GIMP ist kostenlos. Es gibt kein Abo-Modell, keine abgespeckten Varianten. Allerdings auch keinen offiziellen Support. Es ist auch nicht von den Entscheidungen einer einzigen Firma abhängig, die in erster Linie ein Produkt verkaufen möchte. Die Entwickelnden von GIMP lassen sich an einer Hand abzählen, neue Maintainer würde das Projekt wohl kaum finden (also Menschen, die die Weiterentwicklung verwalten), dafür ist GIMP ein Herzensprojekt. GIMP selbst möchte nicht einmal Spenden, sondern empfiehlt die Spendengelder an bestimmte Projekte zu senden, auf denen GIMP aufbaut.
Während GIMP nur einen Teil der Features von Photoshop mitbringt, ist aber genau der eingeschränktere Funktionsumfang ein Argument dafür. Ich würde schätzen, dass die allermeisten überhaupt nicht den Umfang von PS benötigen und daher problemlos mit GIMP arbeiten könnten. Für Youtube-Thumbnails oder Bilder für Instagram reicht es allemal aus. Auch Druckdaten können damit bearbeitet werden, wenngleich beispielsweise Vektoren nur über Umwege bzw. rudimentär bearbeitet werden können: CMYK wird aktuell nur simuliert und nicht nativ unterstützt.
Nachteile von GIMP gegenüber Photoshop
GIMP sieht eher altbacken aus und bedient sich verglichen mit PS an einigen Ecken etwas umständlicher. Während Adobe viele Komfortfunktionen eingebaut hat, musst du bei GIMP den langen und teils umständlichen Weg gehen.
Am einfachen Beispiel erklärt: Während Schrift mit einer anderen Farbe umranden bei Photoshop 1-2 Klicks entfernt ist, muss in GIMP die Schrift bzw. dessen Pfad markiert werden, die Auswahl muss um 1-3px vergößert werden, auf einer neuen Ebene dahinter muss die größere Auswahl mit einer Farbe der Wahl gefüllt werden. Auch ist ein fließender Übergang ins Unsichtbare bzw. 100% Transparenz einer Ebene ist mit ein paar mehr Arbeitsschritten behaftet.
Muss man wissen. Und man muss damit umgehen lernen.
Analog zu Photoshops „Aktionen“ gibt es in GIMP sogenanntes Skript-Fu, oder auch Makro genannt. Hier lassen sich verschiedene Aktionen miteinander verknüpfen. Etwa die Geschichte mit dem anders gefärbten Schriftrand für das nächste Thumbnail ist dann nur einen Klick entfernt.
Ein weiterer Nachteil ist die generelle Verbreitung. Adobe bzw. die Nutzenden haben über die Jahre immer wieder beteuert, wie schlecht sich GIMP bedienen lässt. Wer das blind geglaubt hat, hat GIMP nie ausprobiert. Allein dadurch ist die Verbreitung geringer – und mit einer von GIMP exportierten XCF kann manch Grafiker:in nichts anfangen. Allerdings kann GIMP auch in anderen Formaten exportieren. Ein Grafikmensch ohne Photoshop wird aber vermutlich genau so wenig in bestimmten Bereichen gebucht wie ein Cutter ohne Final Cut oder Media Composer, oder ein Sound Editor ohne Pro Tools oder Nuendo. Der Name suggeriert einen gewissen Grad an Professionalität, das sagt gleichzeitig aber nichts über die Qualität der Arbeit aus.
Abstürze
Bei einigen Funktionen hatte ich (unter PopOS und Manjaro, nicht aber mit Debian oder Fedora) immer wieder Abstürze mit GIMP. Beispielsweise der Schlagschattenfilter hat zuverlässig das gesamte Programm immer wieder an den gleichen Stellen in den Abgrund gerissen. Der Vorteil: Fehler können problemlos gemeldet werden und in einer kommenden Version sind sie vermutlich behoben. Einige Fehlermeldungen bei PS scheint Adobe überhaupt nicht zu sehen. Da es auf eigener Erfahrung beruht, kann ich aber nicht verallgemeinert sprechen. Über die Jahre hatte ich mit PS etliche Abstürze von Mac OS 9 an miterlebt. PS ist also kein Garant für „funktioniert“.
Welches Grafikprogramm ist besser?
GIMP ist nicht besser als Photoshop. Wobei besser und schlechter immer subjektiv gesehen werden muss. Das heißt nicht, dass alle Arbeitsschritte mit GIMP besonders leicht von der Hand gehen oder je nach Werkzeug die Qualität von Photoshop mitbringen. Wer filigrane oder ähnlich gefärbte Dinge ausschneiden möchte, weiß, wovon ich rede. Leichte Arbeiten wie Thumbnails für Youtube erstellen oder Bilder für Instagram bearbeiten, beherrscht GIMP ohne Probleme.
Die einzige Hürde ist die Gewohnheit.
Photoshop ist nicht nur Inbegriff von Grafikeditor, sondern auch schon seit 1990 am Markt und daher extrem verbreitet. Willst du „Grafik“ lernen, wird „Photoshop“ empfohlen. Es wird von der ersten Sekunde an gelernt, die Bedienweise verinnerlicht – du weißt genau, wo welche Funktionen und Knöpfe zu finden sind. Wie du ans Ziel kommst.
Das ist auch bei vielen das Problem, wenn sie ein neues Betriebssystem ausprobieren. Der Weg ist ein anderer bei Windows, bei macOS und bei Linux. Dieser Weg muss gefunden und verinnerlicht werden.
So ist das auch bei Grafiksoftware. Hättest du ab dem ersten Klick mit GIMP gearbeitet, dann würdest du ziemlich wahrscheinlich mit Photoshop nicht klarkommen und mit GIMP hervorragende Bilder zaubern. Ein gutes Beispiel ist der Youtuber LeFloid, der seit Beginn an GIMP nutzte und es immer noch tut, auch wenn er wohl finanziell locker Photoshop 100 Jahre im Voraus im Abo bezahlen könnte.
Photoshop via WINE mit Linux
Es gibt einen Mittelweg, auch wenn ich aus eigener Erfahrung sagen muss: Ich mache das nicht noch einmal.
Photoshop läuft in einigen Konstellationen mit WINE, der Windows-„Emulation“ unter Linux. Allerdings nur manche Versionen und leider ist die Sache auch nicht immer stabil. Mit jedem Update kann es nicht mehr starten, einige Funktionen in Photoshop haben bei mir zuverlässig zu Abstürzen geführt und die generelle Performance war nicht all zu gut. Berichten im Internet zufolge arbeiten manche aber täglich und absturzfrei mit Photoshop via WINE, oftmals mit älteren Versionen. Es gilt also: Ausprobieren.
Wenn du nach einigen Wochen GIMP immer noch nicht ans Ziel kommst, dann könnte das immerhin einen Versuch wert sein.
Ich freue mich auf deine Erfahrungen in den Kommentaren.
PhotoGIMP
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, ein wenig des Photoshop-Feelings auf GIMP zu übertragen. Das Addon nennt sich PhotoGIMP und steht offiziell für die Flatpak-Version von GIMP zum kostenlosen Download von GitHub bereit.
PhotoGIMP ersetzt einige Konfigurationsdateien und damit Anordnung der Werkzeuge, Tastenkombinationen und den Splashscreen. Natürlich installiert es keine Features mit, die Photoshop für einige unersetzbar scheinen lässt. Wer aber die Tastenkombinationen und Platzierung bestimmter Werkzeuge in der Leiste verinnerlicht hat, kommt hier um eine eigene Konfiguration leicht herum. Einfach alles aus der heruntergeladenen .zip in den Home-Ordner kopieren, ersetzen bzw. zusammenführen und fertig.
Andere Photoshop-Alternativen für Linux
Es gibt sicherlich noch andere Programme, die ein paar Funktionen von PS unter Linux anbieten, allerdings ist GIMP vermutlich das umfassendste und ich würde an deiner Stelle direkt damit loslegen. Du kannst dir aber noch folgende Photoshop-Alternativen und Grafikprogramme für Linux anschauen:
- Krita (für Künstler mit Grafiktablett empfehlenswert)
- Inkscape (Vektoren!)
- Pinta (Paint.net Alternative)
Einstieg in GIMP – Videoempfehlung
Falls du komplett neu in der Grafikbearbeitung bist und kein Geld für Adobes Abosystem hast oder keine Lust auf eine abgespeckte Online-Version, dann lade dir einfach GIMP über dein Software Center oder die offizielle Homepage.
Einen guten Einsteig in die Grafikbearbeitung mit GIMP findest du hier:
Wie stabil ist denn GIMP generell mit Linux? Ich habe es unter Win10 genutzt, da war es ok, unter Mac war es nicht nutzbar. Ist Linux als Ursystem besser?
Hallo Flugbrei,
GIMP ist wie im Artikel beschrieben bei mir extrem stabil – abgsehen mit PopOS, wo der Schatten-Effekt während der Einstellung zu Abstürzen führt. Unter Debian und Manjaro kann ich das Phänomen nicht nachvollziehen.
Also, ich nutze GIMP schon sehr lange (und oft) unter Linux (Ubuntu) und ich habe noch nie einen Absturz erlebt.
Ich hatte nur unter PopOS abstürze, mit Debian, Ubuntu, Manjaro oder Arch hatte ich nie Probleme.
Ich konnte mich nie mit GIMP anfreunden, deswegen verwende ich unter Ubuntu seit 5 Jahren PhotoLine (www.pl32.de) über WINE.
Ich hatte mit der Bildbearbeitung schon vorher unter macOS und Windows gearbeitet…
Kostet nur 59 Euro, wird ständig weiterentwickelt und die beiden Autoren sitzen in Bayern und sind täglich im Forum erreichbar.
Danke für den Hinweis. 🙂
Als jemand der mit beiden Programmen gearbeitet hat, möchte ich meine Meinung äußern.
Gimp sitzt in einer Zwischenschicht fest. Für alltägliche und kleine Dinge ist es zu kompliziert, für professionelle Arbeit ungenügend.
Für viele einfache Bearbeitungen, existieren heute Alternativen, wo man mit wenigen Klicks Bildfehler entfernt, Effekte hinzugefügt usw. Das kann man auch mit Gimp, jedoch nicht ohne Studium.
Im professionellen Bereich ist Photoshop, als Teil einer ganzen Adobe Palette, in Geschwindigkeit und Automatismen deutlich besser aufgestellt. Das saubere Ausschneiden von Objekten kann unter Photoshop schon mit wenigen Klicks realisiert werden. Bei Gimp gelingt das nur wenn das Motiv einfach und farblich klar getrennt ist.
Die Zeitersparnis was man unter Photoshop bekommt, kann wirtschaftlich in Gnome daher gar nicht eingeholt werden. Je länger man an einer Arbeit sitzt, desto höher sind die Kosten. Du kannst das selbe Kunstwerk auch in Gimp machen, aber eben zum deutlich höheren Preis und keinen Abnehmer finden, oder du verdienst halt nichts dran.
Viele Grafiker die ich kennengelernt habe, haben Gimp ausprobiert. Sie mochten es nicht und als Außenstehender kannst du es gar nicht verstehen, egal wie gut man es dir zu erklären versucht. Erst wenn man sich selbst intensiv mit der Materie auseinander setzt, fängt man an zu verstehen.
Gimp kenne ich seit dem ich angefangen habe mich mit Linux zu beschäftigen. Also mindestens ab 2003. Kleinigkeiten, wie Bilder verkleinern, Schriften mit Farbverlauf machen, Transparenz, usw. konnte ich damit ganz gut. Gegen die Kunst meines Paintshop Pro freundes musste ich mich aber bereits geschlagen geben.
Während der Ausbildung zum Software-Entwickler, musste ich, warum auch immer, einen mehrmonatigen Adobe Kurs mitmachen. Und da war auch Photoshop dabei. Durch den Kurs habe ich auch die Gimp-Werkzeuge besser verstanden und wie man diese einsetzt. Das wars aber mit den Gemeinsamkeiten. Objekte Freistellen, ganz besonders die Haare von Models, ersetzen von Bildinhalten, die Bildmanipulation an sich. Unter Photoshop habe ich doch tatsächlich meine Kreativität entdeckt. Es hat mir richtig Spaß gemacht.
Mit Gimp konnte ich das ganze weiterführende Thema gar nicht realisieren. Es war viel aufwändiger ein Model freizustellen, in guter Qualität. Man musste viel länger an einem Schritt arbeiten. Und viele Schritte waren mir auch nicht bekannt. Ich suchte Tutorien und versuchte diese durchzuarbeiten. Alles in allem, mit Gimp hat mir die Grafikbearbeitung überhaupt kein Spaß gemacht. Es hat mehr meiner Kreativität geschadet.
Für mich ist Gimp tatsächlich keine Alternative zu Photoshop.
Da ist viel Wahres dran. GIMP ist tatsächlich an einigen Ecken unzureichend und kompliziert(er) als Photoshop.
Einfaches Pickel aus Passfotos retuschieren, gut eingefärbte Gegenstände freistellen, Hintergrund austauschen oder Text einfügen und effektieren geht ganz gut. Einiges braucht mehr Schritte – allein Texteffekte sind bei PS so viel besser gelöst.
Allerdings ist da auch viel Gewöhnung dabie. Soweit ich weiß, nutzt der Youtuber LeFloid seit jeher GIMP und kommt nicht mit PS klar – vielleicht eine Ausnahme, zeigt aber, dass mitunter das erste, erlernte Programm entscheidend sein kann (den Umstand machen sich viele Firmen zu nutze). Es wäre aber auch gelogen, dass GIMP in allen Belangen PS ersetzen könnte.
Hallo Abbc!
Zitat:“Es hat mehr meiner Kreativität geschadet.“
Bei mir war es genau umgekehrt.
Durch die häufige manuelle Bearbeitung habe ich viel mehr über Bildbearbeitung gelernt, als durch die vielen Automatiken in PS.
Bei Schnelligkeit ist PS im Vorteil, aber wenn ich etwas richtig gründlich machen möchte, würde ich es auch in PS manuell erledigen.
Schönes Wochenende.
„GIMP“ ist leider seit jeher in der Benutzeroberflächenhölle gelandet, auch wenn es ein kleines bisschen besser wurde. Auf dem Papier lesen sich die Eigenschaften gut aber die Benutzung ist nach wie vor ziemlich übel. Etwas besser und mit genau so viel Möglichkeiten ausgestattet ist „Krita“, aber auch hier gibt es noch viel Luft nach oben was die Benutzerführung angeht. Für das schnelle Bildeditieren ist „Pinta“ ganz ok aber auch noch verbesserungswürdig. Alles andere für Linux, was ich probierte, war eher gar nichts.
Das stimmt. GIMP hinkt in Sachen Usability dem quasi-Branchenstandard um Längen hinterher. Auch viele Features sind quaitativ nicht so gut oder brauchen bedeutend mehr Handgriffe bis es am gleichen Stand ist.
Da sieht man, was viel Kapital mit einem Programm machen kann. Vor allem viele Entwickler:innen bezahlen.
Auf der anderen Seite ist GIMP aber auch nicht schlecht und ich komme damit sehr gut an meine Ziele, auch wenn ich mir als jemand mit PS-Hintergrund an etlichen Stellen Verbesserung wünsche. Da ist ja noch WINE … 😉