Ardour Pro DAW Linux

Ardour – Profi Open Source DAW für Linux

Ganz egal, ob du einen eigenen Song am Computer komponieren möchtest, eine Band aufnehmen, ein Konzert mitschneiden oder einen Film mit Tönen und Musik unterlegen willst: Du brauchst eine DAW. Mit Ardour hat Linux eine professionelle Digital Audio Workstartion zur Auswahl, die nicht nur enorm viele Funktionen mitbringt, sondern gleichzeitig eine der wenigen Open Source DAWs am Markt ist. Es gibt auch einen Weg, die DAW legal kostenlos zu nutzen.

Was ist eine DAW?

Eine Digital Audio Workstation, kurz DAW, ist ein Programm, in dem Audio- und MIDI-Daten auf einer Zeitachse aufgenommen, bearbeitet und am Ende in eine Audiodatei exportiert werden kann.

Es steht in der Regel eine unbegrenzte Anzahl an Spuren (bzw. Tracks) zur Verfügung, auf denen nicht-destruktiv Audioschnipsel (Clips) editiert und miteinander kombiniert werden können. Mittels Plugins kann der Klang verändert werden, mit virtuellen Instrumenten sogar ausschließlich am Computer generiert werden. Der Funktionsumfang ist verglichen mit Audioeditoren wie Audacity immens.

Eine der bekanntesten DAWs für Linux ist Ardour – sie bildet die Basis für die DAW Harrison Mixbus.

Ardour7 Session Startup Splash
Session Startup in 3 Schritten, CC-BY-SA

Ardour 7

Die DAW Ardour ist mittlerweile bei Version 7 angekommen. Ich würde behaupten, es ist die einzige Open Source DAW, die nennenswerte Verbreitung im Profi-Sektor vorweisen kann. Neben Band-Aufnahmen weiß ich von Filmprojekten, deren Sound darüber gemischt wurde, Sounddesign für Videospiele wurde gemacht und auch für Radio und TV wurden Produktionen gemacht – auch mindestens ein Album wurde damit ge-(Pre)-mastert. Es ist also kein Problem, mit Ardour professionell zu arbeiten.

Die DAW war eigentlich mal offiziell als Pro Tools Konvertierung für Linux angedacht, Avid fand das allerdings eher mäßig, also hatte sich Hauptentwickler Paul Davis nach seiner Zeit als einer der ersten Amazon-Webentwickler:innen hingesetzt und Ardour ins Leben gerufen. Die Nähe zu Pro Tools kann man der DAW auf jeden Fall ansehen, auch wenn sie einen etwas anderen Weg in einigen Dingen eingeschlagen hat und auch bei der älteren Optik stehen geblieben ist.

Ardour7 Session nach Import
Session direkt nach Audio-Import, CC-BY-SA

Features

Ardour hat keine künstlichen Beschränkungen, wie sie andere „Platzhirsch“-DAWs manchmal haben. Es können „unendlich“ Spuren und Plugins geladen werden.

Der Aufbau ist klassisch: Es gibt einen Editor, in denen die Spuren entsprechend Audio- bzw. MIDI-Clips enthalten, und einen Mixer, in dem wie mit einem Mischpult die Spuren miteinander in der Lautstärke angepasst werden können. Hier werden auch Plugins geladen, etwa Equalizer, Compressoren oder virtuelle Instrumente.

Ardour trennt die Spurentypen nach Funktion. Diese Spurtypen unterstützt Ardour:

  • Audio
  • MIDI
  • Audio Buss
  • MIDI Buss
  • VCA
  • Foldback Buss (Monitor Outs)

Einige Plugins lassen sich nur auf bestimmte Spurtypen laden. Etwa Audio-Effekte auf Audio-Spuren, virtuelle Instrumente wie z.B. Synthesizer auf MIDI Spuren. Die Buss-Tracks dienen als eine Art Summen-Tracks, auf die Audio- und MIDI-Spuren in Gruppen geleitet werden können. VCA Spuren sind eine Art Steuerspur für andere, zugewiesene Spuren, wie man sie früher in analogen Mischpulten vorfand.

Ardour7 Session Mixer Plugin GUI
Mixer mit geöffneten Plugin-Fenstern, CC-BY-SA

Plugins

Ab Werk bringt Ardour ein paar grundlegende Plugins mit, die mittlerweile auch eine sehr brauchbare, grafische Oberfläche bieten. Dadurch sind einfache Arbeiten über den integrierten EQ, Kompressor oder verschiedene Analyzer schnell erledigt. Wer mehr Funktionen braucht, kann sich aber aus einem großen Fundus eigene Plugins und virtuelle Instrumente installieren.

Diese Plugin-Formate unterstüzt Ardour:

  • LV2
  • LADSPA
  • VST (LinuxVST)
  • VST3
  • AU (nur Mac)
  • das jeweilige Instrumenten-Format, auch VSTi etc genannt, aber intern nicht so bezeichnet

Neben einer Reihe von kostenlosen Plugins, etwa dem technisch etwas in die Tage gekommenen CALF-Plugins oder den hervorragenden Ports von DISTRHO sowie den X42-Plugins gibt es auch eine Reihe von kommerziellen Anbietern mit empfehlenswerten Plugins, etwa U-HE oder Tracktion. Auch an Software-Synthesizern hat Linux eine breite Palette zu bieten, beispielsweise ZynFusion, Surge, Vital bzw. Vitalium oder Dexed.

Es ist auch möglich, Windows VSTs über WINE zu nutzen. Viele haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch ich nutze es mit manchen Plugins, kann es aber für Produktivsysteme nur empfehlen, wenn du dich damit auskennst oder eine höhere Frustgrenze hast.

Scripting mit LUA

Ardour kann zudem über LUA mit Skripten modifiziert werden. Eine handvoll sind vorinstalliert. Etwa „lege ein Scope (Analyzer Plugin) auf die Spur an Position XY“ oder „teile Clips an allen Marker-Positionen auf einmal“. Erlaubt ist was gefällt. Vor allem lässt sich so relativ einfach die DAW an die eigenen Vorliebe anpassen. Das geht zwar nicht so exzessiv wie z.B. bei Reaper, ist aber bemerkenswert frei, verglichen mit „Standard-DAWs“ am Markt, die für macOS und Windows zur Verfügung stehen.

Recording Fenster in Ardour 7
Recording Fenster, CC-BY-SA

Rec und Cue Mode

Zusätzlich zu Editor und Mixer bietet Ardour noch zwei weitere Modi: Rec und Cue. Rec ist eine spezielle Ansicht, in der für Aufnahmen alle überflüssigen Dinge ausgeblendet werden und der Fokus auf dem Eingangssignal liegt – und entsprechende Einstellungen vorgenommen werden können.

Seit Ardour 7 gibt es auch die Cue-Ansicht. Es handelt sich dabei um einen alternativen Mixer, der an die Arbeitsweise von Ableton Live oder Bitwig Studio angelegt ist. Hier werden Clips in einer Art Matrix abgelegt, die zeilenweise abgespielt werden können. Außerdem kann im Editor über Cue-Marker der jeweilige Clip im Zeitverlauf platziert und abgespielt werden. Ein nettes Feature für alle, die gerne etwas experimenteller unterwegs sind. An die Funktionalität der Vorbilder kommt es aber (noch?) nicht heran, sondern ist eher als Zusatzfunktion zu verstehen.

Ardour 7 Einstellungen und Routing Fenster
Einstellungen und Routing Fenster, CC-BY-SA

Freies Routing für freie Audio-Arbeiter

Wo in anderen DAWs nur kompliziert über den Mixer das Routing vorgenommen werden kann (ich schaue speziell in deine Richtung, Pro Tools), bietet Ardour als eine der wenigen DAWs wirklich freies Routing an. In einer Matrix können einfach virtuelle Strippen gezogen werden, in dem ein Punkt an der richtigen Stelle gesetzt wird.

In- und Output Pin Selector für Plugins
In- und Output und Pin Selector für Plugins, CC-BY-SA

Außerdem können auch bei Plugins über das Pin Connection Fenster frei die Ein- und Ausgänge verdrahtet werden. Dabei kann das Hersteller-Preset genutzt werden, oder aber über manuelle Konfiguration die Anzahl der Audio- und MIDI Ein- UND Ausgänge frei erweitert werden. Hervorragend für Sound-Tüftler:innen.

Ardour unterstützt Mono, Stereo und Surround-Audio, hat dafür im Mixer sogar entsprechende Anzeigen parat.

Stabilität

Während ich (!) unter macOS (vor Jahren) immer wieder Probleme mit Ardour hatte, läuft es unter Windows und Linux sehr stabil. Wenn Probleme auftreten, dann in der Regel durch Drittanbieter-Plugins.

Mit Linux habe ich die besten Ergebnisse über die Audio-Schnittstelle JACK bekommen. Aber auch mit PulseAudio oder direkt mit ALSA läuft Ardour absolut zuverlässig auf meinem System. Ich habe damit ohne ein einziges Verschlucken mehrere Band-Mitschnitte gemacht, eine eher simple Aufgabe für eine DAW. Aber auch Sound Design mit aufwändigen Plugins und Instrumenten war nie ein Problem. Youtuber und Programmierer UNFA arbeitet ebenfalls damit.

Das liegt für mich an einer ganz anderen Stelle …

Session Mixer mit Gruppen
Mixer mit Gruppenfarben, CC-BY-SA

Optik

Ardour sieht nicht gut aus. In meinen Augen. Verglichen mit „allen“ anderen DAWs sieht es vergleichsweise altbacken aus. Manche sagen auch „minimalistisch“ oder rudimentär – wobei das auch nicht richtig ist. Logic ist schon eher minimalistisch. Ardour hat dafür zu viele Schaltflächen. Die Oberfläche grundlegend nicht anpassbar, den Bereichen können aber individuelle Farben vergeben werden.

Am Ende ist es sicherlich eine Sache der Gewöhnung. Die Mixer-Fader sind nicht wie in anderen DAWs eher den Faderkappen der Mischpulte nachempfunden, sondern grau-braune Balken. Auch die Pan-Knöpfe im Mixer sind zwar intuitiv, aber vor allem in großen Projekten nicht auf einen schnellen Blick erschlossen. Immerhin lassen sich die Fader-Balken seit Ardour 7 einfärben – nicht aber die kompletten Tracks bzw. Track-Hintergründe im Mixer. Damit kann man sich immerhin die Gruppierung allein für die Farben und damit bessere Übersicht sparen. Nicht aber für die Bearbeitung. Gleichzeitiges Bearbeiten mehrerer ausgewählter Tracks im Mixer ist demnach nicht möglich. Auch, wenn es seit Jahren von vielen Usern erwünscht wird.

Besondere Tools: Spektral- und Lautheitsanalyse

Zwei Werkzeuge möchte ich besonders hervorheben, die meines Wissens nur Ardour so integriert hat: Spektralanalyse und Loudness-Analysis. Die markierten Clips werden über einen Rechtsklick auf die „Range“ auf „Herz und Nieren“ überprüft. Besonders die Spektralanalyse ist richtig gut, da sich so der Frequenzanteil in einem Fenster miteinander vergleichen lässt. Hat die Gitarre wieder mal zu viele Bässe? Erkennbar auf einen Blick.

Gleiches gilt für die Loudness Analysis, oder auch Lautheitsanalyse. Es lässt sich auf einen Blick erkennen, wo es clippt, welche Frequenzen viel vorhanden sind, Peak und True Peak, Integrierte Lautheit (LUFS), und ob sich eine Spur für verschiedene Zielformate eignet oder zu bestimmten Richtlinien der Audioindustrie passt. Großartig – vor allem beim Export.

Export: Ende gut, alles gut?

Am Ende eines jeden Projektes müssen die Daten zusammengerechnet und exportiert werden. Traditionell wird der Prozess auch Bounce genannt.

Ardour setzt auch hier keine echten Grenzen: Entweder man wählt anhand von Presets bestimmte Konstellationen von Dateityp, Format, Zielmedium, Sample Rate und Bittiefe aus, oder hackt alles manuell ein.

Dazu können optional akustische Wasserzeichen und Dithering eingestellt werden, Metadaten bearbeitet, Cues für CD/DVD-Erstellung oder Kapitelmarken für MP4-Dateien erzeugt werden.

Die exportierte Datei lässt sich wahlweise auf einen fixen Wert normalisieren und nach Export analysieren und für die weitere Bearbeitung direkt wieder auf einer neuen Spur importieren.

Zwei Ardour Fenster, Export Einstellungen und Export Audio Analyse
Ardour Export und Analyse, CC-BY-SA

Neben dem Mastermix lassen sich auch einzelne Spuren und Zeitabschnitte auswählen bzw. exportieren. Für die Benennung stehen ein paar Wildcards zur Verfügung, etwa Session Name, Revisionsnummern oder Name der gewählten Zeitspanne. So umfangreich wie in Reaper ist das aber nicht.

Linux, Windows, macOS

Ardour ist eine echte Crossplatform-DAW. Ursprünglich wurde sie für Linux entwickelt, später kamen dann Windows und macOS-Releases hinzu.

Die beste Performance und entsprechenden Support erhält man (meiner Erfahrung nach) für Linux. Daher würde ich zu aller erst immer Ardour für Linux empfehlen. Auch, weil Ardour mit der GPL-Lizenz der von Linux am ehesten im Geiste entspricht.

Ist Ardour kostenlos?

Die DAW Ardour 7 ist nicht kostenlos – außer, du kompilierst den Quellcode selbst.

Wenn du eine Installationsdatei direkt von der Homepage herunterladen möchtest, musst du mindestens 1€ zahlen.

Zahlst du mehr als 40€, bekommst du zwei Major-Versionen mit einer Zahlung. Günstiger ist wohl keine DAW mit dem Umfang am Markt.

Es gibt auch eine Demo-Version, die sich irgendwann auf Stumm schaltet.

Mehr Infos gibt es auf der Homepage.

Fazit: Ist Ardour eine professionell einsetzbare DAW?

Absolut. Ardour ist eine sehr umfangreiche, stabile und optisch „konservative“ DAW, die problemlos mit Linux im professionellen Umfeld eingesetzt werden kann.

Die Auswahl der Plugins ist okay, verglichen mit dem Angebot von Windows und macOS aber eher klein – dennoch ausreichend. Es gibt von manchen Dingen nur nicht zig Versionen.

Meine Empfehlung: Wenn du Audio machst, versuch doch mal Ardour. Gib dir für die Umgewöhnung etwas Zeit. Gerade die Art, MIDI zu bearbeiten ist in Ardour ungewohnt, aber durchaus brauchbar. Und seit dem Umbau im Inneren auch nicht mehr so anfällig für Abspielfehler bei „falsch“ platzierten MIDI-Events.

Gerade, wenn das Geld knapp ist, oder du mit dem Bezahlmodellen von Avid, Steinberg (Yamaha), Presonus (Fender), Ableton oder Bitwig nicht konform gehst, könnte Ardour eine Alternative sein.

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Claudius ist freier Autor zu Themen wie IT, Linux und Audio und bloggt hier aus eigener Erfahrung herum. Daily Driver und Kreativsystem ist Debian 12 Stable.
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Bobo

Ich find den Blog übelst geil. Danke für deine Arbeit. Ich habe das erste Mal mit Ardour 2 meine Gehversuche mit Linux-Audio gemacht, bin seit Ardour4 Subscriber und habe damit schon einige Alben mit verschiedenen Bands aufgenommen und gemixt. Ich komme mit Cubase oder Logic überhaupt nicht klar, Pro Tools habe ich nie probiert. Vielleicht sollte ich? Aber vermutlich hätte ich auch damit keinen Spass.
Schreib bitte weiter, die Welt muss erfahren, dass Linux auch kreativ sein kann!!

Christian Becker

Schöner Artikel.
Sollte mich echt mal an Ardour versuchen. Habe es zwar installiert, aber noch nie wirklich damit gearbeitet (u.a. mangels Projekt, das ich damit bearbeiten würde).
Für einzelne Aufnahmen habe ich bisher nur Audacity benutzt. Das bietet aber offenbar nicht die Möglichkeiten von Ardour.

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