Du spielst E-Gitarre oder E-Bass? Du möchtest mit Linux deine Songs schreiben? Oder suchst für deine Studio-DAW einen virtuellen Gitarren-Amp? Dann ist Guitarix eine mögliche Lösung. Das Programm ist kostenlos verfügbar, FOSS (Free and Open Source Software) und arbeitet auf nahezu jedem Linux-System.
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Guitarix statt Guitar Rig, Amplitube, Bias und Co.
Unter Linux gibt es eine ausgewachsene Suite für deinen virtuellen Gitarren-Amp: Guitarix.
Damit baust du dir Stück für Stück deinen Verstärker der eigenen Wahl zusammen. Es bedient sich auf der einen Seite ähnlich zu Guitar Rig, du schiebst dir in einem Rack dein Setup zusammen. Auf der anderen Seite ist es etwas umfangreicher als Guitar Rig. Denn es gibt so richtig keine fertigen Amps bzw. Topteile, sondern du stellst dir mit einem Preamp und der Endstufe mit einer Auswahl an Röhren deinen Sound zusammen.
Klingt erst einmal kompliziert, am Ende gibt es aber mehr Flexiblität. Und wenn dir ein Sound gefällt, speicherst du es ohnehin in ein Preset deiner Wahl.

Nur Linux – aber lieber nicht in der VM
Anders als andere Programme gibt es Guitarix nur für Linux. So wie es Guitar Rig, Amplitube und Co eben nur für Mac und Windows gibt. Das macht den Umstieg etwas schwerer, denn vorher ausprobieren geht nur, wenn du Linux bereits auf deiner Festplatte installiert hast. In einer VM macht das keinen Sinn, da die Audio-Performance ohne Config-Tiraden nicht ausreicht und es schnell zu Knacksern oder Ton-Stillstand kommen kann.
Guitarix besteht aus Plug-in und virtuellem Standalone-Amp mit Effekt-Rack
Guitarix ist mehr als nur ein Programm. Zum einen ist Guitarix ein sogenannter Standalone-Amp, also ein Programm, dass du einfach ausführst, ohne eine DAW starten zu müssen. Zusätzlich gibt es einzelne Bestandteile aus der Suite für deine DAW als LADSPA und LV2 Plug-in. Somit kannst du Effektpedale, Amps, Preamps und Boxen in Ardour, Reaper, Rackarrack oder anderen Linux-DAWs nutzen.
Der virtuelle Amp ist modular als Rack-System aufgebaut. Aus einer Liste stellst du dir deinen Wunsch-Sound zusammen. Dazu wählst du in dem (nicht-löschbaren) Hauptelement eine Röhrenart, die grundlegend für deinen Sound verantwortlich ist. Dazu steckst du eine virtuelle Box, die mit Impulsantworten (Impulse Response bzw. IR), Effektpedale sowie Rack-Effekte. Wahlweise stehen auch Preamps zur Verfügung.
Je nach dem, wo du in der Reihenfolge (links oben nach rechts unten, wie bei einem Buch) die Effekte platzierst, klingen sie anders. Es lohnt sich also, viel herumzuexperimentieren.
Übrigens werden laut Entwicklern alle Bestandteile in Guitarix nach den Eigenheiten der Vorbilder simuliert, also direkt abgebildet. In der Realität kann ich aber Unterschiede feststellen, gerade bei den Effektpedalen. Big Muff oder DS-2 klingen in Guitarix nicht wie ihre Vorbilder in der Effektschleife. Allerdings kann man sehr nah herankommen. Dennoch steht eine Überarbeitung auf meiner Wunschliste.
Anders als Amplitube und Co ist Guitarix wirklich umfangreich in der Einrichtung. Während viele andere, virtuelle Amps dir Ein-Klick-Lösungen bieten, und dann etwa nach Marshall, Mesa Boogie oder Fender klingen, musst du in Guitarix alles selbst einrichten. Es gibt zwar Presets ab Werk, allerdings klingen die je nach System und Gitarrensetup (Gitarrenmodell, Effekte, Interface-Eingangslautstärke) mal gut und mal schlecht. Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits MUSST du deine Sounds finden und lernst viel – und es steckt mit etwas Handarbeit „jeder“ Sound in Guitarix. Andererseits kannst du ohne eigene Presets auch nicht einfach mal so loslegen. Die Online-Preset-Bibliothek ist auch nicht immer gut. So kann es mit einer Les Paul super klingen, mit einer Telecaster aber ganz schlimm.
Nimm dir also ein paar Stunden zum Einlernen Zeit. Und zieh es durch. Es lohnt sich.
Guitarix wird nur mittels JACK angesteuert. ALSA, Pulesaudio oder Pipewire (ohne Kompatibilitätsebene zu JACK) gehen nicht.
Optisch gewinnt Guitarix keinen Preis. Du kannst die Farben ändern. Nach den ikonischen Vorbildern sieht es nie aus. Alle Effekte haben eine Farbe. Entweder nur Grün, nur Schwarz, nur Orange … daran muss man sich gewöhnen. Mich stört es, dass es da nicht schicker wird. Am Ende zählt aber auch der Klang. Und wir müssen in Erinnerung behalten: Guitarix ist kein kommerzielles Projekt. Es ist nur so schick, wie Geld für das Design dafür übrig ist. Vermutlich (!) hat das Guitarix-Projekt in der gesamten Laufbahn so viel Geld gespendet bekommen, wie Amplitube und Co in einem Monat zur Verfügung haben.
Übrigens ist Guitarix Open Source bzw. FOSS (GPL 2). Es ist kostenlos auf der Projektseite oder den Repos deiner Distribution verfügbar.
Live mit Guitarix
Du möchtest Guitarix wie Mainstage live nutzen? Das geht. Mit einem MIDI-Controller, also einer Fußleiste, kannst du Guitarix z.B. über USB umschalten.
ABER: Umschalten zwischen Patches blendet den Sound hörbar aus und ein. Das geht nur in Spielpausen oder zwischen Songs.
Effekte an oder ausschalte sowie Parameter ändern geht einwandfrei und in „Echtzeit“.
Damit das alles reibungslos funktioniert, schau dir an, wie du dein System auf Audio optimierst. Ein Realtime-Kernel oder eine Multimedia-Distribution sind dafür nicht notwendig – optional aber ok. Nur für die Latenz reicht ein aktueller Vanilla-Kernel (Linux 6.x). Vanilla heißt: So, wie er von deiner Distribution ausgeliefert wird ohne Modifikationen, wie Zen, RT und Co.
Leider ist die Live-View ziemlich … unästhetisch und einfach. Es ist kaum mehr als ein leerer Bildschirm mit ein paar Wörtern. Da ginge definitiv mehr. Apple Mainstage macht es vor. Am Ende funktioniert alles wie es soll. Ein paar mehr Orientierungspunkte wären aber super.

Guitarix installieren
Entweder ist Guitarix mit deiner Multimedia-Distribution bereits mitinstalliert, oder du installierst es aus deinen System-Repos. Checke z.B. bei Repoogy, ob es bei dir in der aktuellsten Version verfügbar ist. Du kannst es aus deinem Software Store der Distribution installieren. Die Projektseite findest du hier.
Oder im Terminal:
Nutzt du Debian / Ubuntu / Mint / MX Linux / Ubuntu Studio:
sudo apt install guitarix
Bist du mit Fedora unterwegs (da gibt es aktuell nur die ältere Version)
sudo dnf install guitarix
Arch und Ableger wie EndeavourOS, Manjaro oder SteamOS nutzen:
sudo pacman -S guitarix
Hast du openSuse installiert:
sudo zypper install guitarix
NICHT EMPFEHLENSWERT ist die Installation über Flatpak. Auch, wenn die Version da aktuell ist und grundlegend funktioniert, geht das nur, wenn ALLE anderen Programme in deinem Audio-Setup als Flatpak installiert werden. Oder so eingerichtet sind, dass sie damit kommunizieren können. Erfahrungsgemäß macht das mehr graue Haare, als das du damit zuverlässig musizieren kannst.
Erste Schritte bis zum Rockstar mit Guitarix
„Über Sound schreiben ist wie zu Architektur tanzen.“ Daher lasse ich lieber ein paar empfehlenswerte Videos sprechen:
Mein Tipp: Versuch dich einfach. Setz dich ran. Schiebe ein paar Sachen zusammen. Es wird vermutlich nicht auf Anhieb gut klingen. Das macht aber nichts. Dafür bekommst du ein großartiges, kostenloses und freies Werkzeug an die Hand, mit dem du mit etwas Gefrickel Top-Sounds erreichen kannst. Vielleicht klingen sie nicht 1:1 wie dein Amp. Erfahrungsgemäß tun die anderen das auch nicht.
Go for it. 🙂
Guitarix ist nicht perfekt: Verbesserungsvorschläge
So gern ich Guitarix mag, so ungern habe ich manche Funktionen. Oder besser gesagt, es fehlt hier und da an Dingen, um Guitarix besser für mich zu machen – und es bedenkenlos(er) als Alternative zu Guitar Rig, Amplitube oder Bias Amp/FX und Co. zu nennen.
- Suchfunktion für Module in der Seitenleiste
- Effekte und Module mehrfach nutzbar machen, statt nur 1x
- Grafik überarbeiten
- Module oder Sektionen individuell färben lassen
- oder: optisch den Vorbildern anpassen bzw. Hauptfarbe ändern
- als VST und LV2 klappt es ja auch
- JACK-only muss weg, PW-native muss früher oder später her
- Klicken/Rasseln beim Einstellen von bestimmten Reglern muss aufhören
- Umschaltzeiten zwischen Presets sollten live-tauglich werden
- einige Effekte müssen neu gesampelt werden, die klingen nicht ansatzweise wie das Original bei mir im A/B-Vergleich
- z.B. Big Muff Pi, DS2, JCM800 Preamp
- Effektweg mono und stereo mischbar machen
- eventuell über JACK Routing für jedes Modul (optional) eigene In- und Outputs anlegen
Das alles lässt Guitarix nicht schlechter werden. Es fühlt sich an einigen Ecken aber nicht mehr frisch oder zeitgemäß an. Die grafische Überarbeitung ist zwar auch noch nicht so alt, aber der Ist-Stand (2025) könnte besser sein. Auf der anderen Seite könnte ich mehr als die Gedanken dazu nicht beissteuern und bin grundlegend sehr dankbar, dass es das Projekt für Linux gibt.

Deine Meinung?
Nutzt du Guitarix?
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