Linux auf dem Macbook Air M1 – ARM im Content-Alltag?

Ich mache keinen Hehl daraus: Apple baut für mich aktuell die stimmigsten Laptops. Ich versuche pragmatisch statt dogmatisch an die Geschichte zu gehen. Schließlich ist der Thinkpad-Hype in der Linux-Community auch nur das Gleiche in Grün. Historie hin oder her, die aktuellen Modelle sind den Hypre nicht mehr wert. Doch wie komme ich zu dieser Ansicht? Dazu muss ich etwas ausholen. Und gleich einen Nachzüger-Erfahrungsbericht zum M1 MacBook Air ins Rennen schicken.

Zum Vergleich: M2 und M3 und natürlich Thinkpads

Ich hatte zu Testzwecken ein M2 MacBook Air, sowie ein M3 MacBook Air – jeweils für einen kurzen Zeitraum. Natürlich wurde auch Asahi Linux getestet.

Nun ist mir ein gebrauchtes M1 MacBook Air unter die Hände geflattert. Wäre doch gelacht, wenn ich darauf nicht auch als erstes Asahi ausprobiere. Jetzt, wo die Grafik so richtig gut unterstützt wird.

Die Apple „Silicon“ Chips sind einfach gut. Es sind ARM-basierte Prozessoren mit guter Performance und geringer Leistungsaufnahme. Das heißt, dass die neuen Laptops locker 10 Stunden Alltagsbetrieb durchhalten. Je nach Modell hoch bis 20 Stunden bei moderater Nutzung. Und das bei guten Bildschirmen und brauchbaren Tastaturen. Allerdings zu Apples Mondpreisen, wenn man mehr als die eher schwache Standardausführung haben möchte. Aber teuer sind potente x86-Kisten auch, etwa die aktuellen Thinkpads der T, X oder Z Serie. Und mittlerweile auch da alles Mögliche verklebt oder verlötet und nichts ist mehr austauschbar. Also gehüpft wie gesprungen. Dann doch gern lüfterlos, mit top Akkulaufzeit unter Last, und notfalls eben auch von Apple.

Das Beste an Apples Computern: Ich kann andere Betriebssysteme installieren. Genauer gesagt Linux. Ein großes Danke an dieser Stelle an das Asahi-Team.

Achtung: Nachmachen auf eigene Gefahr, ich übernehme keine Haftung für Irgendwas, das du fabrizierst. 😉 Vorher Backups machen. Aktuellen Geräte-Support vorher checken.

„M1“ Benchmarks mit Linux besser als macOS

Es handelt sich um ein Apple MacBook Air 10,1 mit M1 Chip (Late 2020). 16 GB RAM, 512 GB Festplatte, 8 CPU Cores und 8 GPU Cores. Also ziemlich genau das Modell hier bei Geekbench.

Zum Vergleich habe ich einfach mal unter Linux auch Geekbench 6 laufen lassen. Und die Ergebnisse haben mich echt verwundert.

Singlecore: 2317
Multicore: 8378

Damit ist Linux Multicore sogar etwas schneller als macOS. Und im Single Core nur minimal langsamer. Die Unterschiede sind wirklich vernachlässigbar. Amtlich.

Natürlich sind Benchmarks nur die halbe Wahrheit, geben aber einen ersten Hinweis, wie gut ein System mit der Hardware umgehen kann.

Installation Asahi Linux auf Macbook Air M1

Die Installation von Asahi Linux (Fedora Remix) ist mit die einfachste Installation, die ich jemals für ein Linux hatte.

Einfach den Befehl curl https://alx.sh | sh in deinen Mac Terminal kopieren, ausführen und ein paar Anweisungen befolgen. Es ist wirklich alles gut beschrieben.

  1. Backup (!)
  2. macOS Partition schrumpfen, PW eingeben
  3. Warten, root-PW eingeben
  4. Warten, ggf. Asahi-Installation zählen lassen – Herunterfahren
  5. Power-Button bis zum Bootloader gedrückt halten, Fedora/Asahi starten
  6. Linux Partition anlegen (absolute Zahlen, Prozente oder „min“ bzw. „max“)
  7. Neustart – Asahi fertig installieren – einrichten – fertig

Der Hintergrund für diese Methode aus dem Terminal heraus ist, dass Apple bei den M-Modellen das Booten von externen Medien blockiert. Also die Methode „USB-Stick + ISO“ funkioniert hier nicht. Das Asahi-Team hat das gekonnt umgangen. Kudos.

Schwuppdizität + Performance + Benchmarks

Asahi ist kein Alltags-Linux. Und für Content Creation eignet es sich auch nicht. Es ist eher eine Machbarkeitsstudie für Enthusiasten. Aber: Es geht extrem viel.

  • Speaker: Wie bei macOS. Astrein.
  • Bildschirm ohne Webcam-Notch: Check (leider nicht matt)
  • Bedienflüssigkeit: Check
  • Snappy Feel: Check
  • Reaktion der Programme: Träumchen
  • Mausklicks: Instant da
  • Super-Tasten-Programmübersicht: Schneller als beim Thinkpad

Die aller meisten Alltagsprogramme wie Libre Office, Markdowneditoren wie Obsidian oder VIM, NLEs wie KdenLive oder die DAWs Ardour und Reaper sind alle für ARM (aarch64 bzw. arm64) verfügbar. Auch KeePassXC für sichere Passwortverwaltung. Es ghet also Einiges.

Das Asahi-Team hat zuletzt auch bei der Grafik nachgelegt.

  • OpenGL 4.6
  • OpenCL 3.0
  • Vulkan 1.4

Zocken ist zwar trotzdem nur bedingt drin, da die wenigsten Steam-Titel für ARM existieren (und nativ gleich gar nicht) und Proton ist auch nicht gerade eine Hilfe. Es gibt für viele Spiele irgendwelche Workarounds, etwa hier für CS2 mit Whisky, für ernsthaftes Zocken würde ich aber immer ein X86-Linux-System vorziehen. Da habe ich dann über Proton Versuche gestartet.

Abgesehen davon: Das MBA M1 ist passiv gekühlt. Darin ist kein Lüfter verbaut. Wenn der am Limit werkelt, etwa für CS2, dann wird die Kiste ganz schnell unangehm warm. So warm, dass ich die Tests aus Sicherheitsgründen erst einmal abgebrochen habe. Das ging mit dem M3 besser.

Probleme mit M1 Mac und Linux

Es gilt immer noch: Asahi ist nur eine Machbarkeitsstudie und im Alpha-Zustand. Also für Bastelnerds.

Das zeigt sich einerseits an der eher langsamen Entwicklung als Hobbyprojekt, auch wenn es mittlerweile von IBM/Red Hat/Fedora unterstützt wird.

Einige Dinge funktionieren – wie zu meinem ersten Test vor über einem Jahr – immer noch nicht:

  • Externe Displays via USB-C (auch nicht mit Dongle)
  • Thunderbolt / USB4 (was der Grund für Punkt 1 sein dürfte)
  • Mikrofon (das Interne)
  • TouchID (ist schon sehr komfortabel)

Dafür allerdings der gesamte Rest.

Die Probleme mit den Rucklern vom M2 MBA Check mit Asahi haben sich nicht nur enorm verringert sondern auch verkürzt, wenn ich in den Gnome-Einstellungen WLAN, BT oder andere Dinge über die Buttons im Dropdown rechts oben einschalte. Die plötzlichen Tonattacken mit Weißem Rauschen gibt es gar nicht mehr.

Beim Scrollen oder Umherschieben von Fenstern gibt es bei dem M1-Modell erstmals Grafikfehler. Bunte, blinkende Blöcke die nach sterbender GPU aussehen, oder zumindest fehlerhaften Treibern. Das passiert allerdings nur, wenn im Hintergrund CPU-hungrige Dinge laufen. Etwa ein Geekbench. Im Alltagsbetrieb (Firefox + Office) ist alles fein.

Der Akku hält auf dem M1 MBA mit Asahi nicht so lange wie unter macOS durch. Pi x Daumen ist es bei 70-80%. Was dank der sparsamen Hardware immer noch 6-8 Stunden sind. Das ist gemessen an etlichen x86_64 Laptops mit Linux immer noch im oberen Spektrum. Es läuft standardmäßig (in Asahi mit Gnome) der power-profiles-daemon. Seit ich mit TLP auf meinem T14 merklich schlechtere Akkulaufzeiten als mit dem PPD hatte, werde ich das auch hier nicht versuchen.

Zum Vergleich: Mein T14G2a hält maximal 6 Stunden am Stück ohne Netzteil. Wenn er viel werkelt, rutscht das auch mal auf 2-3 Stunden.

Unter Asahi ist beim Scrollen mit zwei Fingern das Touchpad extrem sensibel. Während es bei macOS sehr dynamisch auf die Geschwindigkeit reagiert und vermutlich (wie seit langem) das wohl beste Touchpadpaket am Markt ist, schiebt ein unvorsichtig-schneller Wisch mit Asahi schnell mal die längsten Blog-Artikel weg und du betrachtest den Footer. Die Umstellung dauert zwar nur wenige Minuten, fällt aber dennoch negativ auf.

Und da gibt es noch ein dickes Problem.

Linux yo, Apple no?, (c) vermutlich Drake oder sein Label / Wikimedia / Apple / Asahi

Linux + ARM = noch nicht so richtig angekommen

Es gibt nicht alle Programme für ARM-basierte Linuxsysteme.

Während ich auf einige vielleicht verzichten kann, sind andere Mangelware. Es gibt immer noch kein Signal Messenger für Linux ARM. Und auch Zotero fehlt mir schmerzlich als PDF-Verwaltung und Zitationsprogramm. Viele Gnome-Apps aus dem Circle sind auch nicht vertreten. So fehlen mir etwa der Metadata Cleaner und Apostrophe. Und für den Terminal gibt es auch einige Werkzeuge, die ich gerne mal nutze, aber unter Asahi auf dem M1 MBA nicht verwenden kann. DaVinci Resolve gibt es auch nicht. Auch kein Blender.

Das hat Nichts mit Asahi oder Fedora zu tun. Sondern viel mehr, dass ARM unter Linux noch keine große Rolle spielt.

Kurzer Exkurs:

Apple hat den enormen Vorteil, dass alles aus einer Hand kommt. Hardware, Betriebssystem, Software, Treiber, Peripherie. Das bringt Apple enorme Macht und Kontrolle über die eigene IT und die gesamte digitale Welt bei entsprechender Verbreitung auch. Und die hat Apple, gerade im „Kreativbereich“.

Linux bietet „nur“ Betriebssystem und Treiber. Somit ist das System auf den Markt angewiesen. Und wenn der Markt für Desktop-Computer eben immer noch nur die Optionen Intel und AMD bietet, dann wird sich am Kernel und den Programmen wenig ändern.

Ja, es gibt ein paar erste Modelle mit Snapdragon ARM-Prozessoren. Und eben das Asahi-Projekt für Apple-Computer. Aber das ist zu wenig, dass sich Entwicklerteams hinsetzen und ihre Programme auf ARM-Architektur umbauen.

Verglichen mit Apples Umstieg damals: Da gingen fast alle Programme ab dem Start der M1-Serie. Und Drittfirmen zogen ziemlich schnell nach oder waren bei entsprechender Relevanz für den Prosumer-Markt vorab informiert. Apple hat weltweit etwa 15% Marktanteil auf dem Desktop. Linux maximal 4%. Wenn man ChromeOS dazu zählt, sind es maximal 6%. Das ist nicht einmal die Hälfte. Und wieviele davon werkeln mit ARM? Wieviele davon nutzen Dekstop-Software so richtig? Kein Wunder also, dass die Entwicklungsteams da nicht so krass hinterher sind.

Und die Ultra CPU ist Intels neuste Serie und weiterhin x86. Und das teils effizienter als ARM.

Es bleibt also fraglich, ob das ganze ARM-Konzept, insbesondere für Linux, nicht mehr als nur ein Hobby-Ding für Geeks und Enthusiasten bleibt.

Preislich nehmen sich die Modelle mit Snapdragon X und Intel Ultra CPUs wenig zu den Apple-Modellen. Und die Auswahl ist bei beiden noch eher solala. Vermutlich wird es mehr Intel-Modelle geben als Snapdragon, auch, weil Intel mehr Menschen ein Begriff sein dürfte und sie entsprechend auch wieder darauf zurückgreifen würden.

Werde ich Linux auf MacBook Air M1 im Alltag nutzen?

Nein.

Ich könnte aber.

Gemessen an der Leistung und der Schwuppdizität (Grüße an das c’t Team ist Asahi auf einem sehr guten Weg.

Und ich werde es vermutlich öfter starten als auf den anderen beiden Modellen davor. Vor allem fühlt es sich besser an als ein Linux in der VM auf einem “Silicon-System”; Egal ob ARM-nativ oder X86-emuliert. Beides nicht so pralle im Alltag. Wobei die Benchmark-Ergebnisse besser als gedacht waren. Leider spiegelt das nicht die eher hakelige Realität in der VM wieder, die ich auf keinen Fall für den kreativen Alltag über das reine Tippen hinaus empfehlen kann.

Ich bin guter Dinge, dass das vielleicht irgendwann mehr wird.

Vor allem fehlt es noch an flächendeckender Software, damit alle „Kreativen“ den Computer als Werkzeug betrachten können und nicht noch Zeit hinein investieren müssen, dass alles wenigstens genau so gut geht wie unter Windows oder macOS.

Und wenn dann noch Thunderbolt-Hubs, USB-C Displays und das interne Mikro gehen, bin ich wieder dabei. Und lösche womöglich auch macOS von der Platte.

Ich warte gern.

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Claudius ist freier Autor zu Themen wie IT, Linux und Audio und bloggt hier aus eigener Erfahrung herum. Daily Driver und Kreativsystem ist aktuell Debian Sid.
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uwuuu

Schöner Artikel. Mir gefällt die etwas schmissige Art viel besser als die hochtrabenden Artikel in den Zeitschriften und deren Seiten. Ich hatte auch überlegt ein MacBook für Linux zu holen, einfach, weil die schnell und leise sind und eine lange Akkulaufzeit haben. Wenn aber Linux darauf nicht so gut läuft, dann werde ich da wohl erstmal noch etwas warten.

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