Audacity How To Teaser

Audacity – Audio-Bearbeitung mit Linux

Audio Engineers, Musikerinnen, Mixing und Mastering Engineers: Alle benutzen in ihrem Leben irgendwann einmal Audacity. Der Audio Editor ist dank Open Source Lizenzmodell nicht nur für Linux, Windows und macOS verfügbar, sondern wird auch kostenlos angeboten. Und auch deswegen der Standard für Einsteigerinnen weltweit. Erstmals erschien Audacity im Jahr 2000. Mittlerweile ist es aber der wohl umfangreichste Audio Editor am Markt.

Audio Editor vs. DAW

Ein Audio Editor ist ein Programm, mit dem Audio-Daten aufgenommen, bearbeitet und exportiert werden können. Manche Editoren bieten mehr Funktionen, andere beschränken sich auf das absolute Minimum. Audacity hat mittlerweile so viele Funktionen, dass die Grenzen zwischen Audio Editoren und den weit aus umfangreicheren Digital Audio Workstations (DAWs) verschwimmen. Gerade mit den letzten Updates hat Audacity Funktionen wie Echtzeiteffekte dazubekommen und könnte damit so manch DAW den Einsatz streitig machen.

Ein Audio Editor eignet sich für eher einfache Arbeiten. Etwa eine Spur vom Mikro aufnehmen, diese mittels Kompressor und Equalizer bearbeiten und am Ende für das Zielmedium ausspielen. Audacity wird dank dem Support mehrerer Spuren oft bei Streamern und Podcastern eingesetzt, um Audio aufzuzeichnen. Auch schnelle Handgriffe wie Störgeräusche entfernen sind hier sehr schnell erledigt.

Info: Audacity für Linux hat den gleichen Funktionsumfang wie die Versionen für macOS und Windows.

Es ist für viele das Einstiegsprogramm schlechthin, denn der Funktionsumfang ist geringer und die Lernkurve ist recht steil.

Audacity GUI Recording
Aufnahme in Audacity, CC-BY-SA

Audacity – Der Standard Audio Editor für Engineers und Musiker?

Audacity gehört für mich definitiv zum Werkzeugkasten für Pro-Audio-Engineers, sowie auch zum Grundgerüst eines jeden Audio-Computers. Egal ob du „nur“ ambitionierte Musikerin oder angehender Studiotechniker wirst. Damit lernt man nicht nur recht einfach und eingängig, wie Audio aufgenommen und bearbeitet wird, sondern auch, was alles möglich ist, ohne gleich eine ganze DAW vorher zu lernen.

Natürlich auch mit Linux – denn professionelles Audio und das freie Betriebssystem sind schon lange keine Gegensätze mehr, auch wenn es noch ein paar Baustellen gibt.

Auch Audacity ist kein perfektes Programm. An einigen Stellen finde ich die Bedienung etwas hakelig, aber auch das ist Gewohnheit. Vermutlich entstehen die meisten Demobänder und vielleicht sogar ersten Alben von Bands mit Audacity. So schlimm kann es also nicht sein.

Übrigens: Audacity verfügt über eine MIDI-Schnittstelle für Controller, nicht aber für MIDI-Instrumente.

Tenacity GUI Recording
Tenacity, ein Audacity-Fork, CC-BY-SA

Kontroverse: Audacity vs. Datenschutz

2021 wurde Audacity von der MuseGroup übernommen, die u.a. für den MuseScore MIDI/Noten-Editor und die Ultimate Guitar Webseite bekannt ist. Mit einer nachfolgenden Version gab es (später dann nur mehr optionale) Telemetrie-Funktionen, die Nutzungsdaten via Google und Yandex zum Hersteller schicken sollten – und eine riesige Kontroverse entbrannte unter den Fans.

Long Story short: Es entstanden mehrere Forks, also Abspaltungen mit gleicher Code-Basis, wie es auch bei LibreOffice und Open Office passiert ist, aber von da an paralleler Entwicklung. Heute ist nur noch der Fork Tenacity aktiv in Entwicklung und hat ein paar Eigenheiten, die sich das Entwickler-Team (und Teile der Community) schon länger von Audacity wünschen. Einen echten Vorteil bringt es uns Nutzenden eher nicht.

Brauchbar sind beide und, bis auf leichte Veränderungen der grafischen Oberfläche bedienen sich auch beide nahezu identisch. Audacity stehen zusätzlich Echtzeiteffekte wie in DAWs zur Verfügung, Tenacity mit der Code-Basis von Audacity 2.x nur destruktive Effekte.

Workshop: Audacity mit Linux

In den folgenden Kapiteln erfährst du, wie du mit dem Audio Editor Audacity deine ersten Aufnahmen anfertigst, das aufgenommene Audio bearbeitest und am Ende für dein Zielmedium exportierst.

Audacity Gnome Software Center
Audacity im Gnome Software Center, CC-BY-SA

Wie installiere ich Audacity unter Linux?

Der einfachste Weg, Audacity unter Linux zu installieren, ist über das Software Center deiner Linux-Distribution. In Gnome heißt dieses meist nur Software, mit KDE Discover. Suche einfach nach „Audacity“ und installiere es mit einem Klick.

Du kannst es auch im Terminal von Hand installieren.

Entweder über den Paketmanager deiner Distribution, sofern Audacity in den Repositories enthalten ist:

Zum Beispiel für Debian/Ubuntu/Mint: sudo apt install audacity

Oder für Fedora sudo dnf install audacity

Universell über alle Distributionen hinweg kannst du es auch als Flatpak über Flathub installieren. Die Einrichtung wird hier erklärt.

flatpak install flathub org.audacityteam.Audacity

und gestartet wird es dann über deinen Desktop bzw. das Startmenü oder aus dem Terminal mit dem Befehl

flatpak run org.audacityteam.Audacity

Die allermeisten, die diesen Teil hier lesen, werden es jedoch über das Software Center installieren. Alle anderen haben diesen Abschnitt übersprungen.

How To: Audio Aufnehmen mit Audacity und Linux

Bevor du etwas aufnehmen kannst, musst du Audacity zeigen, welche Soundkarte du verwendest. Nutzt du z.B. ein externes USB-Audiointerface oder deine intern verbaute Karte im Laptop?

Klicke dazu in der Mitte der obigen Werkzeugleiste auf „Audio Setup“ und wähle bei Host „ALSA“ aus. Solltest du mit JACK vertraut sein, kannst du auch das auswählen. Wie JACK funktioniert, erkläre ich an dieser Stelle nicht. Das ist mal ein Thema für einen anderen Workshop. ALSA ist für den Zweck genau richtig.

Audacity Audio Setup Linux
Audio Setup mit Linux

Das „Playback Device“ ist das Gerät, das an die Lautsprecher sendet, in meinem Beispiel die interne Soundkarte meines Thinkpads, die HDA Intel PCH: ALC257 Analog (hw:0,0), die auch bei default ausgewählt wäre. Wenn du deine Audiodaten über HDMI (warum auch immer) an ein TV-Gerät sendest, wählst du das aus.

„Recording Device“ ist meist identisch zum Playback Device, da die meisten Systeme eine Soundkarte für Input und Output verwenden. Das ist auch bei externen Soundkarten so.

Wähle bei „Recording Channels“ mono aus. Die meisten Mikrofone arbeiten mit einem Audio-Kanal. In meinem Beispiel verwende ich für eine schnelle Sprachnotiz die in meinem Thinkpad-Bildschirmrahmen verbauten Stereo-Mikrofone und wähle daher stereo aus. Aber auch mono würde hier brauchbare Ergebnisse liefern.

Nun kann es losgehen.

Drücke in der Werkzeugleiste auf den Aufnehmen-Button mit dem roten Punkt, oder die Taste R, und die Aufnahme startet sofort auf eine neue Spur. Wird die Aufnahme länger als der Bildschirm anzeigt, wird automatisch mitgescrollt. Mehr Übersicht gibt es mit STRG + Mausrad, indem du herauszoomst. Mittels Shift + Mausrad scrollst du links/rechts – das wird beim Editieren noch wichtig.

Die Aufnahme stoppst du mit dem Stopp-Symbol (drei Felder links neben dem Aufnahmeknopf) oder Leertaste.

Klicke mit der Maus in Zeitleiste hinter deine letzte Aufnahme ins Leere (auf der Spur), um die nächste Aufnahme an dieser Position zu starten. Klicke ins Leere unter die Spur, und die nächste Aufnahme startet in einer neuen Spur.

Achtung: Ist „Monitoring“ aktiv, kommt das bereits aufgenommene durch die Lautsprecher während der Aufnahme. Schalte die Spur einfach so lange stumm, indem du ganz links auf den „Mute“-Knopf drückst. Oder schalte diese Funktion in den Programmeinstellungen (bei Recording der erste Punkt) einfach komplett ab.

Audacity EQ Analyzer
EQ und Analyzer in Audacity, CC-BY-SA

How To: Audio Bearbeiten

Deine Aufnahmen sind fertig. Nun wird geschnippelt und verändert. Höre dir deine Aufnahmen von vorne an. So findest du die für dich wichtigen Stellen und kannst sie später grob einer Position zuordnen. Außerdem kannst du die Aufnahme an den Rändern links und rechts verkleinern. Oft ist das notwendig, weil man dort oft noch einen Mausklick oder die Tastatur hört. Das soll nicht auf der Aufnahme bleiben.

Audacity bietet vier Werkzeuge, die rechts neben dem Aufnahme-Button (bzw. dem Loop-Button) angezeigt werden.

  • Selection Tool
  • Envelope Tool
  • Draw Tool
  • Multi Tool
Audacity Werkzeuge
Werkzeuge in Audacity, CC-BY-SA
  1. Selection Tool

Hiermit markierst du Zeitabschnitte. Diese kannst du mit entf oder backspace entfernen und das nachfolgende Audio automatisch heranziehen (Fachsprache: Ripple Edit). Soll die Stelle nur stumm geschaltet werden, etwa weil Schmatzer zu hören sind, drücke STRG + L. So bleibt das Timing im Verhältnis zu anderen Spuren oder dem Sprachtempo erhalten.

Entferne so alle ungewünschten Stellen.

Markierte Stellen können mit Effekten verändert werden. Wähle in der Menüleiste ganz oben „Effect“ und anschließend in der passenden Kategorie deinen gewünschten Effekt. Nimm dir Zeit, die Effekte kennen zu lernen.

Gängige Effekte für Stimmaufnahmen sind:

  • Volume and Compression > Compressor (hebt den Pegel unter dem eingestellten Wert an)
  • Volume and Compression > Limiter (schneidet den Ausschlag über dem eingestellten Wert ab)
  • Volume and Compression > Normalize (hebt den Pegel auf -1 dB an)
  • EQ and Filter > Filter Curve EQ (bestimmte Frequenzen verstärken oder absenken – siehe „Presets“)
  • Noise Removal and Repair > Click Removal (entfernt automatisch leichte Klickgeräusche)
  • Noise Removal and Repair > Noise Reduction (Funktionsweise im Effektfenster erklärt)
  1. Envelope Tool

Mit diesem Werkzeug zeichnest Lautstärkekurven in dein Audio-Material ein. Es erscheint bei Aktivierung des Werkzeugs am oberen Ende deiner Aufnahmen eine blaue Linie. An dieser kannst du per Mausklick Punkte setzen, um bestimmte Stellen lauter oder leiser zu machen. Auch Rampen können damit eingezeichnet werden. Die Darstellung ist recht intuitiv und besser als in manchen DAWs, aber auch hier braucht die Einarbeitung ein wenig Zeit.

  1. Draw Tool

Zoome so weit an deine Waveform (blaue „Audio-Wurst“), bis einzelne Punkte zu sehen sind. Ziehe sie mit dem Werkzeug hoch und runter. Das Ergebnis ist oft nicht groß hörbar, außer, du ziehst Punkte bis auf Anschlag. Dann knackst es. Mit dem Werkzeug lassen sich Klicks und Knackser manuell entfernen (auf die Mittellinie verschieben), wenn die Effekte diese nicht automatisch entdecken.

  1. Multi Tool

Das Werkzeug verbindet alle anderen – je nach Position deines Mauszeigers. Ich empfehle, lieber mit den klar definierten Werkzeugen 1 und 2 anfangs zu editieren.

Bedenke: Audacity bearbeitet in diesen Modi destruktiv, aber nur im Editor, nicht in der Datei auf der Festplatte. Fehler kannst du wie üblich mit STRG + Z schnell rückgängig machen. Die Ursprungsdatei wird erst einmal nicht verändert.

Audacity Reverb EQ Effects
Reverb sowie Bass and Treble sind Echtzeiteffekte, CC-BY-SA

Echtzeiteffekte

Seit Audacity 3.3 gibt es Echtzeiteffekte, eine Funktion, die bisher nur ausgewachsenen DAWs vorbehalten war. In Audacity war die Arbeitsweise bis dato immer: Bereich im Audio markieren, Effekt einstellen und anwenden. Echtzeiteffekte betreffen immer die gesamte Spur und verändern die Aufnahme nicht direkt, sondern werden nur beim Abhören und Exportieren einberechnet.

Markiere eine Spur mit einem Klick, drücke dann entweder die Taste E oder im Menü „Effect / Add Realtime Effect“. Es öffnet sich an der linken Seite eine neue Spalte, in der je nach markierter Spur die verfügbaren Echtzeiteffekte angezeigt werden. Diese können mit einem Klick auf das blaue Power-Symbol temporär deaktiviert werden. Wahle mit „Add Effect“ den gewünschten Effekt. Verglichen mit der Liste aus der destruktiven Effektsektion sind das oft weniger, da nicht alle in „Echtzeit“ arbeiten können. Wenn du eigene Effekt-Plugins installiert hast (etwa LV2, VST oder VST3), dann erscheinen diese hier auch.

Die grafische Oberfläche rufst du mittels Klick auf den Effektnamen auf. Einige Effekte haben keine echte Grafik, sondern nur Regler und Schrift. Auch damit kommt man ans Ziel. Das blaue Power-Symbol deaktiviert den Effekt. Auf dem Pfeil rechts neben dem Effektnamen löschst du den Effekt mittels „No Effect“.

Bei den destruktiven Effekten ändert sich die Waveform. Echtzeiteffekte machen das nicht. Beobachte deswegen immer die Master-Volume-Anzeige in der Kopfzeile. Schlägt diese in den roten Bereich aus oder gar bei 0 dB an, ist es zu laut und deine Aufnahme wird spätestens beim Export verzerrt sein. Vermindere die Gesamtlautstärke der Spuren oder setze vorsichtig einen Limiter-Effekt ein.

Audacity MP3 Export
Export-Fenster, CC-BY-SA

How To: Audio Exportieren

Dein Audio ist jetzt schick für die Veröffentlichung oder weitere Verarbeitung, zum Beispiel unter einem Video für Youtube oder TikTok? Dann wird es Zeit für den Export. Auch das übernimmt Audacity für Linux problemlos.

Du kannst dein Audio als MP3, WAV, OGG oder einem von vielen anderen, eher unbekannten Formaten exportieren. Wähle dazu im Menü oben über „Datei“ bzw. „File“ den für dich passenden Punkt.

Wer nur für sich Notizen anfertigt, kann mittels MP3 und einer höheren Kompression Speicherplatz sparen. Je höher die Kompression einer Datei ist, desto schlechter wird auch die Audioqualität. Hast du Aufnahmen für ein Musikalbum oder Video gemacht, solltest du als WAV oder dem freien OGG-Format exportieren. Auch wenn du einen Song z.B. für den Upload bei Spotify und Co. exportierst, kannst du WAV nehmen. In der Regel werden die Audiodaten bei den Anbietern sowieso noch einmal automatisch angepasst. Für den professionellen Einsatz sollte aber jedoch lieber ein Profi mit Erfahrung zu Rate gezogen werden.

Übrigens gibt es in der DAW Ardour nicht nur eine Analyse, sondern auch Export-Voreinstellungen für verschiedene Streaming-Plattformen. Nur für den Fall, dass du wirklich alles allein machen möchtest.

Gängige Formate für verschiedene Plattformen

Da es hier eher um einfache Audio-Daten und Stimmaufnahmen geht, müssen keine Richtlinien von Streaming-Plattformen wie Youtube, TikTok, Spotify etc. eingehalten werden. Trotzdem sollten ein paar Regeln geachtet werden.

Wie oben bereits geschrieben: Wenig Kompression ist für Weiterverarbeitung immer besser, da mit jeder Umwandlung und Kompression die Qualität ein Stück leidet. Damit wird aber auch die Datei selbst größer. Eine WAV ist immer größer als eine MP3. Im Alltag ist eine gute MP3 nicht von einer WAV zu unterscheiden.

OGG ist ein Format, das sich in der Audio-Welt leider nie richtig durchgesetzt hat, daher findet es meist eher auf Linux-Systemen Verwendung. Windows hat damit erfahrungsgemäß seine Probleme, macOS kann damit meist umgehen.

Zur Info: 16 Bit bei einer Samplerate von 44100 Hertz (44.1 kHz) ist die korrekte Einstellung für die Nutzung mit CDs. Alle neueren Medien (inkl Online) sollten mindestens mit 24 Bit bei 48 kHz ausgespielt werden, falls es zur Option steht.

Mehr über Audio lesen?

Der Funktionsumfang von Audacity für Linux oder den anderen Audio-Editoren reicht dir nicht? Dann schau dir doch mal die gängigen DAWs für Linux an. Ich empfehle aus eigener Erfahrung Ardour und Reaper.

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Claudius ist freier Autor zu Themen wie IT, Linux und Audio und bloggt hier aus eigener Erfahrung herum. Daily Driver und Kreativsystem ist Debian 12 Stable.
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Bollinger

Audacity finde ich einfach umständlich, für mich quasi das „Gimp“ der Audio-Editoren. In Sachen Benutzerfreundlichkeit führt für mich bei Freeware sowohl für Windows als auch unter Linux nichts an „Ocenaudio“ vorbei.

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